Yamashiro, der Rückzugsort und zugleich Kultstätte des Emishi-Clans. Wie der Name es sagt, ist es eine Bergfestung außerhalb des Dorfes, wobei der Berg hoch aus dem Urwald herausragt. An seinen Hängen wachsen keine Pflanzen - seine Hänge werden von den Clansmitgliedern frei von allem gehalten, was einem sich nähernden Feind Deckung bieten könnte.
Einzige Ausnahme sind die knorrigen Gewächse, die sich scheinbar vor Jahrhunderten in den Stein gekrallt haben und seit mindestens genauso langer Zeit kein Leben mehr bewahren. Diese etwa zwei Meter hohen, blattlosen Büsche nennt man "Geisterzäune", denn sie tragen nur dann Blüten, wenn man Chakra in ihre Nähe bringt - einer Sage nach nicht irgendein Chakra, sondern das eines Sterbenden. Es könnte etwas dran sein... denn bisher wurden die Geisterzäune nur in Blütenpracht gesehen, wenn es Kämpfe auf dem Berg gegeben hatte.
Fremden ist es nicht gestattet, den Berg zu betreten - erst recht nicht allein.
Zum Teil liegt diese Festung unterirdisch in den Eingeweiden des Berges, doch auch außerhalb gibt es Gebäude aus grobem Stein. Sieht man von den Wächtern ab, wird man hier gewöhnlich kein Leben vorfinden. Im Inneren des Berges liegen Kammern für Trauer, Läuterung und dergleichen, auch eine Art Schatzkammer und Trophäenhalle ist vorhanden.
Ins Herz der Verteidigungsanlage kommt man als gewöhnlicher Mensch nur auf eine Art: Die Schwerterbrücke. Ein breiter Pfad über eine Schlucht, die sich um den ganzen Berg gürtet.
In Yamashiro finden sich die beiden verbündeten Klans zusammen, nicht bloß um zu kämpfen, sondern auch, um Festlichkeiten abzuhalten oder religiöse Dienste zu leisten.
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Schritte hallten in den Gängen des Berges. Gemessen, respektvoll, aber nicht heimlich. Rannja Emishi betrat die Schatzkammer des Festungshügels, das Schwert des Daimyou der Reisfelder in den Händen. Die Kunoichi verstand nicht viel von Schwertern; doch dass diese reich verzierte Waffe nicht bloß ein Paradeschwert war, erkannte sie. Und behandelte das Katana angemessen. Im Halbdunkel der von Talgkerzen erleuchteten Höhle zog sie die Klinge, betrachtete das Lichterspiel auf dem Metall und vollführte einen Probehieb, der ihr gewaltig entglitt.
Hoppla! Das Schwert ratschte viel zu laut über den Boden; Rannjas Blicke schossen zum Eingang, als fürchte ein Kind, bei einem Streich ertappt zu werden. Niemand da, nur sie und das Verhallen des schrillen Geräusches. Rannja seufzte erleichtert. Schob das Schwert in die Scheide zurück.
Du willst dich wohl nicht von mir führen lassen, hm? Sie lächelte ein wenig und zuckte mit den Schultern.
Na ja. Bin ja auch kein Feudalherr. Das Schwert fand seinen Platz in einem der Bambus-Regale. Rannja trat zurück, betrachtete ihr Werk und befand, dass es gut war. Ihre Schritte führten sie wieder hinaus.
Die Kunoichi blieb vor Kammer stehen, die ebenfalls erleuchtet war. Eine einzige Kerze erhellte den Raum, in dem Ashitaka im Schneidersitz saß. Gerade wie ein Ladestock, absolut unbeweglich.
Rannja ging vorüber, ohne ihren Ehemann anzusprechen.
Am Höhleneingang brannte ihr die Sonne entgegen. Sie blinzelte gegen das grelle Licht, trat gänzlich ins Freie und ließ den Blick über die Schwerterbrücke wandern. Die Klippen der Schlucht, die sie überspannte, fielen steil ab. Grau und braun, schwarz. Karg und trostlos, leblos, verdorrte Bäume an den Hängen. Rannja, die dem Kiobashi-Clan entstammte, würde wohl nie nachvollziehen können, wie ein ganzer Clan in dieser Umgebung seelischen Frieden finden mochte.
Grünen und blühen sollte es hier murmelte sie im Selbstgespräch, setzte sich auf ihr Gepäck und wartete.
Und wartete.
Die Mission von Otogakure war vergangen. Taten waren begangen, Blut war vergossen worden.
Wie lang werden sie darin bleiben?, hatte Rannja einst Semjon gefragt, nachdem der Clan eine große Schlacht an diesem Berg geschlagen hatte, vor vielleicht neun Jahren. Akane Emishi, älteste Tochter der Clanfamilie, war dabei umgekommen.
Sie haben keine Lebensmittel hatte Semjon erwidert. Drei Tage, nicht mehr. Vielleicht weniger.
Damals war Rannja verdrossen abgezogen.Heute blieb sie, wo sie war. Die Sonne wanderte von Ost nach Süd und neigte sich gen Westen.
Rannja öffnete nach einem Geistesblitz den Rucksack ihres Mannes und war erleichtert, den Proviant darin zu finden.
Er hat keine Lebensmittel dabei. Also würde er auch keine Woche in der Grotte verbringen. Die junge Frau holte einen Schokoriegel aus dem Tornister, aß und blickte wieder die Schlucht entlang.
Man sollte eine Fluss umleiten und Blumen pflanzen und all sowas sagte sie zu niemand besonderem. Erhob sich plötzlich, warf das leere Papier weg und wischte sich Schokolade vom Kinn. Sie grinste. Und schlug die Hände zusammen.
Ja!Donnernd und gurgelnd schoss das Wasser heran, überflutete die Schlucht und stieg hoch genug, um die Schwerterbrücke wie eine Zierbrücke einer Gartenlandschaft aussehen zu lassen. Weitere Fingerzeichen. Rannja bewegte ihre Arme in einer raumgreifenden Geste.
Seerosen erschienen aus dem Nichts, erblühten innerhalb von Sekunden. Die Kunoichi hob den Fuß, kickte die Schuhe einfach beiseite und stampfte rhythmisch auf, bewegte die Arme und
ließ die Hänge in frischem Wiesengrün erstrahlen. Löwenzahn und Gänseblümchen, ein frisches Aroma sommersonnenwarmer Luft. Fröhliches Vogelgezwitscher in den Kirschbäumen, und zum Sprudeln des Flusses gesellte sich das Quaken der Frösche. Das Summen der Stechmücken ließ Rannja aus.
Rannja ließ das Bild auf sich wirken, wie sie zuvor das Schwert des Daimyou an seinem Platz im Regal betrachtet hatte. Und befand, dass es gut war. Sie ließ sich
im Gras nieder, berührte ein Büschel und ließ eine Rose herauswachsen, natürlich ohne Dornen, und brachte sie mit einem einzigen Gedanken zum Blühen.Auch auf diese Art konnte man Frieden finden.
In der Grotte erhob sich Ashitaka. Drehte sich der Felswand zu und betrachtete die verkohlten und verbrannten Stellen. Hier und dort war der Stein Blasen werfend erstarrt.
Ruhe sagte er. Hob die Hand und ballte sie zur Faust.
Funken, metallisches Klirren, Geschrei und Geheul und Blut.Konzentration. Die Faust begann, zu schwelen und zu rauchen.
Fokussierung. Die Faust fing Feuer, und der Emishi schlug zu. Flammen fauchten und zischten.
Der Pfeil durschschlug das Glas der Sonnenbrille, doch die Kekkai in seinen Augen fing das Geschoss ab und stoppte es. Gerade noch rechtzeitig zurückweichend, raste ein Katana von oben nach unten, ritzte seinen Nasenrücken und ließ die Sonnenbrille zu zwei Hälften zu Boden fallen. Ashitaka Emishi hob den Blick, goldgelber Bernstein in den Augen. Pflichterfüllung und Dummheit knurrte er, Kriegerstolz und Todessehnsucht. Schnitter biss zu; Meteoriteneisen spaltete einen Helm und auch alles, was darunter war.Ruhe. Konzentration. Harte Schläge, ständig auf dieselbe Stelle, brutal und wild.
Ruhe.Konzentration. Fokussierung! Ein Tritt; der Fuß ging lichterloh in Flammen auf.
Rannja fiel auf, dass sie langsam mit ihrer Selbsttäuschung übertrieb,
als ein Einhorn neben ihrem Kopf graste. Eine Störung kam nicht wirklich unpassend.
Du bist noch hier?Hm? Rannja hob den Kopf und blinzelte ihren Ehemann überrascht an.
Sicherlich. Ich sagte doch, dass ich dich nicht allein lassen wollte hier draußen. Sie erhob sich und lächelte ihm zu.
Bist du fertig? Geist geläutert?Ja, ich denke schon. Ernst musterte er sie.
Und du? Willst du nichts tun?Ich habe nicht getötet. Meine Illusionen töten nicht.Aber du musstest zusehen.Rannja verzog den Mund. Und wechselte das Thema.
Dich ohne Sonnenbrille zu sehen... das weckt Erinnerungen, weißt du? Du hast mir wohl das letzte Mal vor unserer Heirat so in die Augen sehen können.Zuhause habe ich Ersatz erwiderte Ashitaka knapp, nahm seinen Tornister auf und ging der Brücke entgegen.
Komm.Rannja hielt noch einen Moment inne inne.
Ohne Sonnenbrille gefällst du mir besser, Emishi. Und etwas leiser:
Ohne Sonnenbrille sehe ich wenigstens, wenn du leidest. Er erzählte es ja nie.
Doch er hörte sie dafür sehr gut.
Rannja.Hm? Ich komme ja...Das meine ich nicht. Er drehte sich nicht um, während er es sagte.
Tut mir leid. Als sie an seine Seite kam, legte er ihr einen Arm um die Taille.
Tut mir leid... ich habe wohl noch nicht ganz meinen Frieden gemacht...Dann gehen wir jetzt nach Hause. Dort wartet Frieden auf uns.Danke... dass du einen ganzen Tag auf mich gewartet hast.Ich hatte drei Tage eingeplant, Geliebter Kamerad...tbc: Konoha